Fairness und Wirtschaftlichkeit
- Werkstatt 8.1: Erfolgreiche Architektinnen Startups
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In der Werkstatt:
Hille Bekic, Architektin und n-ails Mitbegründerin, Gönül Nar, Businesscoach economista e.V., Angelika Cummerow, Businesscoach economista e.V.Startup-Ideenwettbewerb:
In der Werkstatt wurden innovative Geschäftsideen entwickelt. Insgesamt nahmen 50 Planerinnen teil, die in sieben Gruppen eingeteilt waren. Ihre Ideen wurden von fiktiven Investorinnen bewertet.Siegerinnen:
Das Startup „Das Gesicht hinter der Fassade“ dient der Verknüpfung von Architektinnen und Architekten, Baufirmen und der Bauherrenschaft. Außerdem gewann die Idee „Wohnungsswap“, ein lebenslanges Wohnungstauschmodell.Fazit:
Die enorme Kürze der Zeit entzündete ein Feuerwerk an Geschäftsideen, ermöglicht durch den Enthusiasmus und die effektive Teamarbeit der Planerinnen. - Werkstatt 8.2: Faire Vergabe
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In der Werkstatt:
Dr. Matthias Fuchs, EE Concept GmbH, Norbert Portz, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin BAKBAK Bundesarchitektenkammer, Dr. Thomas Solbach, Bundesministerium für Wirtschaft und EnergieModeration:
Jan Buchholz, Deutsches VergabenetzwerkEssenz:
Für eine faire Vergabe von Planungsleistungen ist zu beachten:- Keine überzogenen Eignungskriterien stellen
- Vergabe der Planungsleistungen im Leistungswettbewerb und nicht nach Preis
- Auf Nachhaltigkeit der Planungsentwürfe achten
- Qualifizierung der an der Vergabe Beteiligten für eine gute Vergabekultur
Forderung: „Macht mehr Planungswettbewerbe!“
- für den öffentlichen Auftraggebenden, weil es wirtschaftlich ist.
- für die Öffentlichkeit, weil sie der Erhaltung und Stärkung der Baukultur dienen.
- für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zum Wohle zukünftiger Generationen.
Bericht:
Die Werkstatt begann mit der Einstiegsfrage, was für die Referierenden „fair“ in Bezug auf die Vergabe bedeutet. Für Barbara Ettinger-Brinckmann bedeutet das, die Eignungskriterien so zu fassen, dass nicht von vornherein Teilnehmende ausgeschlossen werden. Dr. Matthias Fuchs weist darauf hin, dass das Kriterium Nachhaltigkeit in allen Planungswettbewerben enthalten sein solle. Für Dr. Thomas Solbach ist die Vergabe dann fair, wenn die Grundsätze der Wettbewerblichkeit und Chancengleichheit beachtet werden. Norbert Portz betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dessen Beachtung.Einig sind sich alle Referierenden, dass die Eignungskriterien – wie in der VgVVgV Vergabeverordnung gesetzlich geregelt – auch in der Praxis so zu wählen sind, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum Vergabegegenstand stehen. Ebenso sollten die Planungsaufgaben im Leistungswettbewerb vergeben und generell mehr Wettbewerbe veranstaltet werden.
Barbara Ettinger-Brinckmann betont, dass sich die Architektenschaft klarere und straffere gesetzliche Regelungen dazu gewünscht hätte. Dr. Thomas Solbach stellt heraus, dass die Regelungen in der VgV im Vergleich zur VOFVOF Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen verstärkt wurden. Das Problem sei vielmehr darin zu verorten, dass diese Regelungen oft nicht in der Praxis umgesetzt werden und die Vergabegebenden teilweise nicht qualifiziert genug ausgebildet seien. Norbert Portz fügt hinzu, dass im Wettbewerb die Eignung der Bewerbenden erkennbar werde und sie daher nicht vorab mit überzogenen Eignungskriterien abgeprüft werden müsse. Zudem solle die Architektenschaft noch entschiedener bei Verstößen gegen die gesetzlichen Regelungen reagieren und dagegen vorgehen. Barbara Ettinger-Brinckmann weist auf das gerade im Rahmen einer Arbeitsgesellschaft geprüfte Rügerecht der Kammern in diesen Fällen hin.
Einigkeit besteht auch darin, dass mehr Planungswettbewerbe abgehalten werden sollten, weil sie für den öffentlichen Auftraggeber, die Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit von Vorteil sind.
Barbara Ettinger-Brinckmann stellt klar, dass echte Wirtschaftlichkeit nur in einem Wettbewerb feststellbar sei. Das Planungshonorar macht nur 3 % der Lebenszykluskosten eines Gebäudes aus, die Planungsleistung hat aber zu 90 % Einfluss auf die Kosten. Der Wettbewerb zwinge zudem den Bauherrn dazu, im Vorfeld über das Bauprojekt nachzudenken. Dadurch werden die Weichen für die Wirtschaftlichkeit gestellt.
Dr. Matthias Fuchs weist darauf hin, dass schon jetzt die in Wettbewerben eingereichten Pläne dem Klimaziel von 2035 entsprechen müssten, da ansonsten die nach diesen Plänen errichteten Gebäude in der Zukunft schon nicht mehr klimaneutral seien, obwohl sie gerade erst wenige Jahre alt sind. Zudem ließen sich mit guten Entwurfsplänen 6-8 % der Baukosten einsparen.
- Werkstatt 8.3: Vergütung und Haftung
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In der Werkstatt:
Prof. Dr. Heiko Fuchs, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbH, Stefan Reichert, Ecovis L+C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Dr. Gerhard Schomburg, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Thomas Solbach, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Joachim Brenncke, Vizepräsident BAKModeration:
Günter Göbel, Institut für Wissen in der Wirtschaft (IWW)Essenz:
- Ein Honorar ist das Äquivalent für Zeit.Um Baukultur zu schaffen, braucht man Zeit.
- Wir fordern, die HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure unter Anpassungen, die nach dem EuGHEuGH Europäischer Gerichtshof-Urteil nötig sind, zu erhalten.
- Die Zukunft der HOAI wird auch davon abhängen, dass wir selbstverständlich die Mindestsätze einhaltenund dass wir betriebswirtschaftlich denken und kalkulieren.
- Bei der gesamtschuldnerischen Haftung ist es wichtig, dass wir den Bauherren rechtzeitig informieren, um sicherzustellen, dass Baukostenveränderungen und andere Änderungen der Planung rechtzeitig bekannt sind.
Bericht:
Die Teilnehmenden besprachen das HOAI-Vertragsverletzungsverfahren und diskutierten, welche Auswirkungen das EuGHUrteil auf die HOAI und auf Honorargestaltungen habe. Thematisiert wurden auch das seit 2018 im BGB enthaltene Bauvertragsrecht sowie Haftungsfragen.Das HOAI-Vertragsverletzungsverfahren und das weitere Vorgehen:
Dr. Thomas Solbach stellte zunächst den Gang des Vertragsverletzungsverfahren dar. Die Europäische Kommission war der Auffassung, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI würden gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Es folgten die Klage beim EuGH, die mündliche Verhandlung und die Schlussanträge des Generalanwalts. In seinem Urteil hat der EuGH einige Argumente der Bundesregierung unterstützt und beispielsweise die Baukultur aufgegriffen. Letztlich sahen die EuGH-Richter aber eine Inkohärenz in der deutschen Regelung und stellte fest, dass die HOAIMindest- und Höchstsätze nicht mit dem EUEU Europäische Union-Recht vereinbar sind.Für das weitere Vorgehen nach dem EuGH-Urteil bestehe enger Kontakt mit dem BMIBMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, den Kammern, dem AHOAHO Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V., den kommunalen Spitzenverbänden und den Bundesländern. Die gesetzgebende Instanz müsse das EuGH-Urteil in einem angemessenen Zeitrahmen umsetzen. Die unmittelbaren Folgen des EuGHUrteils seien umstritten. Im Vergaberecht könne wegen des Anwendungsvorrangs des EURechts nun ein Angebot nicht mehr abgelehnt werden, weil es die Mindestsätze unterschreitet. Das BMI habe eine Hilfestellung veröffentlicht. Das BMWiBMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie möchte, dass die HOAI erhalten bleibt. Zur Umsetzung des EuGH-Urteils müsse die Honorarordnung allerdings angepasst werden. Keinesfalls möchte das BMWi ein zweites Vertragsverletzungsverfahren riskieren. Es bestehe die Option, sich für die Urteilsumsetzung an der Steuerberatervergütungsverordnung zu orientieren. Dann würden die Sätze der HOAI gelten, außer es wurde etwas anderes vereinbart. Es müsse auch das zum Erlass der HOAI ermächtigende Gesetz angepasst werden.
Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Honorargestaltung:
Heiko Fuchs stellte dar, welche Probleme nach dem EuGH-Urteil entstanden sind. So sei fraglich, welche Regelung in der Übergangsphase anwendbar sei und ob private Vertragsparteien verbindliche Mindestsätze vereinbaren könnten. Umstritten sei auch, welche Auswirkungen das EuGH-Urteil auf das Formgebot in § 7 Abs. 5 HOAI habe, was wiederum Folgeprobleme für die Vergabe nach sich ziehe. Derzeit sei der sicherste Weg, das Honorar bei Auftragserteilung schriftlich zu vereinbaren, um nicht auf Mindesthonorarhöhe zurückzufallen.Joachim Brenncke betonte, dass die Zusammenarbeit mit dem BMWi und dem BMI gut gewesen sei. Nun gelte es, zukunftsfähige Lösungen zu finden. Dass der EuGH den Begriff „Baukultur“ erwähnt habe, sei nach den Schlussanträgen nicht denkbar gewesen. Der Standort Deutschland könne mit Baukultur zukunftsfähig gemacht werden, diese habe ihren Wert. In der Übergangszeit sollte sich die Architektenschaft an die Mindestsätze der HOAI halten.
Stefan Reichert, Joachim Brenncke und Heiko Fuchs diskutierten sodann über die Honorarverhandlungen. Nach Auffassung von Stefan Reichert benötige die Architektenschaft den Schutzmantel des Mindestsatzes nicht. Ihre Leistungen hätten ihren Preis. Joachim Brenncke führte an, dass insbesondere Kommunen mit angespannten Haushalten bei Preisverhandlungen bei dem Honorar der Planenden sparen wollten. Heiko Fuchs ermutigte die Planenden dazu, Honorarverhandlungen zu führen und ihre Kosten zu kennen.
Gerhard Schomburg stellte das seit 2018 im BGB enthaltene Bauvertragsrecht vor. Darin wurden die vertragstypischen Pflichten neu definiert. Es seien spezifische Regelungen zur Teilabnahme und Teilvergütung sowie zur beschränkten gesamtschuldnerischen Haftung bauausführender Unternehmen eingeführt worden. Das neue Recht enthalte aber mindestens einen Redaktionsfehler. Praktische Erfahrungen fehlten bislang. Dr. Heiko Fuchs ergänzte, dass zwischenzeitlich ein erstes Urteil des BGHBGH Bundesgerichtshof vorliege, das § 650 p Abs. 1 BGB behandle.
Auf Nachfrage von Gerhard Schomburg bestätigte das Publikum, dass die Zielfindungsphase sinnvoll sei. Prof. Heiko Fuchs führte aus, dass § 650 p Abs. 2 BGB den positiven Effekt habe, dass sich Bauherren ihrer Wünsche klar würden. Darüber hinaus stellte Heiko Fuchs dar, dass § 650 b BGB keine Anwendung finde. Es bestehe eine Chance für Architektinnen und Architekten. Sofern das BGB auf die HOAI verweist, müsse es geändert werden. Es sei noch fraglich, für wen das neue Architektenvertrag gelte. Die Rechtsprechung werde hierzu jedoch eine Lösung finden. Heiko Fuchs empfahl, die DINDIN Deutsches Institut für Normung 18205 als Checkliste zu nutzen.
Aus dem Publikum wurde die Frage an Heiko Fuchs gestellt, wie er die gesamtschuldnerische Haftung bewerte und ob er es für denkbar halte, den Architektenvertrag als Dienstleistungsvertrag einzustufen. Heiko Fuchs antwortete, dass Leistung und Gegenleistung voneinander getrennt seien. Man könne dienstvertragliche Pflichten vereinbaren, dies wollten viele Bauherren aber nicht. Stefan Reichert ergänzte, dass auch beim Dienstvertrag ein Bemühen nach lege artis geschuldet sei. Damit bestehe der Effekt wie beim Werkvertrag. Die Einordnung als Werkvertrag sei im neuen Bauvertragsrecht zementiert. In der Literatur werde vertreten, dass nicht das Bewirken, sondern nur das Hinwirken geschuldet sei. Somit könnte man den Erfolg abschichten. Es gebe Punkte, auf die Architektinnen und Architekten keinen Einfluss hätten. Das Honorar sei nur hoch, wenn gute Qualität erbracht werde. Architektinnen und Architekten müssten sich daher ihre Pflichten in haftungsträchtigen Bereichen bewusst machen. Es gebe Praxishilfen. Heiko Fuchs ergänzte, dass Architektinnen und Architekten ihre Hinweispflichten wahrnehmen müssten. Die Problematik der Gesamtschuld habe sich dann teilweise erledigt, da Schadensersatz nicht mehr in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden könne. Stefan Reichert vertrat, dass an der Gesamtschuld nichts zu ändern sei.
Günter Göbel führte aus, dass Architektinnen und Architekten ihre Kosten selbst berechnen und ihre Leistung verkaufen müssen. Dies gelte es zu üben. Aus dem Publikum wurde gefordert, dass die Honorartafeln und die Leistungsbilder der HOAI konkretisiert werden.