Kommunikation, Interaktion und Bildung
- Panel 3.1: Gesellschaftliche Relevanz – Was bringt uns die Kritik?
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Auf dem Panel:
Prof. Arno Lederer, LRO Lederer Ragnarsdottir Oei, Claudia Meixner, Meixner Schlüter Wendt Architekten, Amber Sayah, Freie Journalistin, Laura Weißmüller, Süddeutsche ZeitungModeration:
Nils Ballhausen, ArchitekturpublizistEssenz:
- Gute Architekturkritik entsteht auf ähnliche Weise wie gute Architektur.
- Architektur spiegelt fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wieder.
- Architekturkritik hat die Aufgabe, diese Aspekte sichtbar zu machen und sie für ein Laienpublikum nachvollziehbar zu machen.
- In überregionalen Feuilletons ist man gut aufgestellt mit Architekturkritik, aber in der lokalen Presse, vor allem abseits der Ballungsräume, ist fundierte Kritik eher schwach vertreten.
A - rchitektinnen und Architekten sollten insbesondere in ihrer Region die Lokalpresse mit ihrem Know-how unterstützen, um Architekturqualität zu definieren.
- Die Kammern sollten zusammen mit Architekturkritikerinnen und -kritikern und Architektinnen und Architekten neue mediale Formate entwickeln, mit denen man ein Laienpublikum erreicht (z.B. Filme, Podcasts).
- Das öffentliche Gespräch, Beispiel Architekturquartett, sollte als Gegengewicht zum digitalen Diskurs gestärkt werden.
Bericht:
Die Diskussionsteilnehmenden erläutern, warum Architekturkritik wichtig ist und was gute Architekturkritik ausmacht. Architektur sagt viel darüber aus, wie eine Gesellschaft oder ein Ort funktioniert. Sie erklärt den Zustand einer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund reflektiert Architekturkritik die gesellschaftliche Bedeutung von Architektur. Diejenigen, die öffentlich kritisieren, sollten daher Interesse für die Auseinandersetzung mit Architektur wecken. Auch für die Architektinnen und Architekten ist Kritik wichtig, da Erkenntnisgewinn bei der Arbeit zu Erfolgen und positiven Schritten führt.Die Auseinandersetzung mit Architektur gewinnt an Relevanz, weil aktuell diskutierte Themen wie Klimawandel oder bezahlbarer Wohnraum damit verknüpft sind. Allerdings sollte mehr über durchschnittliche Bauprojekte, auch auf lokaler Ebene, berichtet werden. Durchschnittliche Vorhaben prägen den öffentlichen Raum und die Städte oftmals negativ. Daher muss die Qualität von Architektur verstärkt vermittelt werden. Kritik ist vor allem für den öffentlichen Diskurs über Städtebau und speziell zu umstrittenen Projekten wichtig. Die Öffentlichkeit nimmt über Kritik an der Diskussion teil.
Es gibt heute viele Stimmen und Kanäle für Architekturkritik. Eine alleinige Deutungshoheit besteht nicht mehr. Fernsehen und Internet können genutzt werden, um ein breites Publikum zu erreichen. Es sollte auch vermittelt werden, wie Bauprojekte entstehen und wie Bauherren, Handwerkende, Architektinnen und Architekten und öffentliche Verwaltungsebenen miteinander arbeiten. Aus dem Publikum wird gefordert, vermehrt darzustellen, wie genau gebaut wird. Auch über den unnötigen Ressourcenverbrauch beim Bauen sollte ausgiebiger berichtet und die Frage gestellt werden, warum aktuelles Wissen hinsichtlich ressourcensparendem Bauen nicht in der Praxis umgesetzt wird.
- Panel 3.2: Bildungsthema Architekturvermittlung – Wie gelingt Partizipation?
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Auf dem Panel:
Daniela Billig, MdA, Bündnis 90/Die Grünen, Staatsrätin Gisela Erler, Staatsministerium Baden-Württemberg, Britta Jürgens, Deadline Architekten, Prof. Riklef Rambow, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)Moderation:
Friederike Meyer, Chefredakteurin Baunetz MeldungenEssenz:
- Partizipation hießt zunächst, Informationen barrierefrei bereit zu stellen.
- Mitdiskutieren muss erlernbar sein.
- Teilhabe beginnt, bevor gezeichnet wird.
- Alle Akteurinnen und Akteure und Meinungen über den gesamten Planungszeitraum im Blick behalten
Bericht:
Riklef Rambow eröffnet die Diskussion, indem er Formen der Teilhabe differenziert. Wichtig scheint ihm als unterste Stufe und Basis der Partizipation, dass es eine „kognitive Teilhabe“ gibt, d.h. dass die Betroffenen von Planungszusammenhängen überhaupt verstehen, „was gerade los ist“. Die höchste und intensivste Stufe der Partizipation – d.h. gemeinsam Entscheidungen tragen und verantworten – hält er für letztlich unerreichbar, sie findet fast nie statt. Weitaus wichtiger ist für ihn der Zugang zu Informationen.Gisela Erler weist darauf hin, wie wichtig es ist, alle Betroffenen einzubinden und nicht nur die „üblichen Verdächtigen“, etwa die einschlägig aktiven NGOs oder gut informierte und politisch aktive Bürgerinnen und Bürger. Gesellschaftliche Randgruppen wie beispielsweise Nicht-Wahlberechtigte, Migrantinnen und Migranten oder Alleinerziehende müssen ebenfalls involviert werden. Sie berichtet, dass sie als Staatsrätin in Baden-Württemberg mit dem Zuständigkeitsbereich „Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung“ das Konzept der „Zufallsbürger“ eingeführt hat. Dabei werden zufallsgesteuert Akteurinnen und Akteure unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen ausgewählt, die dann zusammen mit einer moderierenden Person an Tischen mit 6 bis 8 Personen ein Problem diskutieren, das sie betrifft. Gisela Erlers Fazit: „Politisch unlösbare Probleme“ können nur durch Zufallsbürger gelöst werden. Gegenüber Volksentscheiden ist sie skeptisch. Diese böten zu wenige Entscheidungsmöglichkeiten, tendierten zum Populistischen und die Wählerinnen und Wähler hätten meist zu wenige Informationen, um sich eine qualifizierte Meinung zu bilden.
Daniela Billig führt die Frage um die Offenhaltung des Tegeler Flughafens als Beispiel für einen misslungenen Volksentscheid an. Als positives Gegenbeispiel berichtet sie vom bürgerschaftlichen Beirat beim Planungsprojekt Blankenburger Süden. Dort steuern die Betroffenen ihre lokale Expertise bei; die Entscheidungen trifft dann die Politik.
Britta Jürgens spricht über den frühen Planungsprozess des ersten Neubaus einer gewerblichen Baugruppe Deutschlands, dem Frizz23 am ehemaligen Blumengroßmarkt. Sie spricht von der Konzeptvergabe von landeseigenen Grundstücken durch das Land Berlin, von Workshops und davon, dass letztlich nur Leute involviert waren, „die Zeit und Interesse hatten“ – und eben keine Zufallsbürger.
Riklef Rambow bekräftigt, dass das Areal um den Blumengroßmarkt ein tolles, aber auch sehr spezielles Projekt für die „Kreativwirtschaft“ war – und genau deshalb nicht als beispielhaftes Vorbild gelten kann. Er betont, wie wichtig es ist, mit Repräsentantinnen und Repräsentanten zu arbeiten, denn für breit angelegte Prozesse direkter Demokratie haben die wenigsten Zeit und das nötige detaillierte Wissen.
Daniela Billig betont, dass man mit der Beteiligung anfangen muss, „bevor man zeichnet“ und dass es um Beratung geht, nicht um Entscheidungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Rückmeldung der Politik an die bürgerschaftlichen Beiräte. Die eigentliche Entscheidung sei der kritische Moment, danach breche das Interesse ab und viele blieben frustriert zurück, da ihre Ideen nicht umgesetzt werden. Wie man dies verhindern und die Leute weiter einbinden kann, ist für Daniela Billig momentan eine zentrale Frage.
Riklef Rambow fordert, dass jedes Planungsamt eine Webseite haben sollte, auf der alle laufenden Projekte barrierefrei und verständlich durch Bilder, Pläne und Texte vorgestellt werden und die es ermöglicht, online zu kommentieren. Diese Forderung wird kontrovers diskutiert, auch mit dem Publikum. Britta Jürgens hält die Idee für unrealistisch und findet das Konzept der Zufallsbürger besser. Aus dem Publikum gibt es ein Plädoyer für das direkte Gespräch und eine zweite Person, die aus eigener Erfahrung betont, dass Online-Befragungen gut funktionieren können. Daniela Billig plädiert für eine Kombination, betont dabei aber auch, dass für die Verwaltungen das persönliche Gespräch sehr wichtig sei. Gisela Erler betont, dass eine Diskussion immer weiter bringt.
Gisela Erler erläutert als Antwort auf eine Publikumsfrage, dass Bürgerinnen und Bürger auch in einer Wettbewerbsjury sitzen können. Beim Realisierungswettbewerb für eine neue Justizanstalt in Rottweil sei beispielsweise das Votum der Betroffenen entscheidend in der Lösungsfindung gewesen.
Eine abschließende Meldung aus dem Publikum weist auf das Projekt „Die Stadtentdecker“ der AKAK Architektenkammer Brandenburg hin, das sich an Kinder und Jugendliche wendet: Teilhabe müsse man lernen.
- Panel 3.3: Inklusion in der Planung – Ein exklusives Thema?
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Auf dem Panel:
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Prof. Irene Lohaus, Technische Universität Dresden, Anne Wening (stellvertretend für Volker Sieger), Bundesfachstelle Barierefreiheit, Šárka Voríšková, raumleipzig architekten, universalRAUMModeration:
Friederike Meyer, Chefredakteurin Baunetz MeldungenEssenz:
- Barrierefreiheit geht alle an!
- Inklusion ist ein Konzept für die gesamte Gesellschaft.
- Wir brauchen mehr Lust der Architektenschaft, neue, kreative Lösungen für ein „Design for all“ zu entwickeln.
Bericht:
Jürgen Dusel eröffnet die Diskussion mit einem kurzen Impulsvortrag. Er betont, dass Inklusion nicht nur für Behinderte wichtig ist, sondern ein Konzept, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben sei eine Grundlage für funktionierende Demokratie. Lange habe man exkludierend geplant, d.h. Behinderte lebten in ihrer eigenen Welt. 12,5 Millionen Menschen in Deutschland gelten als behindert, diese Gruppe ist heterogen, inklusiv zu planen braucht Expertise, Behinderte müssen in die Planung integriert werden. Würde man Deutschland im internationalen Vergleich eine Note für Inklusion geben, so bekäme es nur eine 3-4, denn „accessibility“ beschränkt sich hierzulande oft auf den öffentlichen Bereich. Jürgen Dusel fordert, dass auch private Anbieter verpflichtet werden sollten, barrierefreie Produkte anzubieten – das sei eigentlich Bundesrecht.Irene Lohaus fordert, dass Barrierefreiheit in Wettbewerben von Anfang an mitgedacht werden muss, denn nur dann können anspruchsvolle architektonische Lösungen entstehen.
Jürgen Dusel erläutert, dass Barrierefreiheit bedeutet, dass Dinge und Räume von Behinderten „in der allgemein üblichen Weise und ohne fremde Hilfe genutzt werden können.“ Das Konzept „Design for all“ begreift er als einen Aufforderung zur Kreativität. Mit Blick auf den aktuellen Aufbau digitaler Infrastrukturen mahnt er dazu, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken und nicht die gleichen Fehler zu machen, die früher bereits in anderen Feldern gemacht wurden.
Šárka Voríšková betont, dass man nicht noch mehr Gesetzte für barrierefreies Bauen braucht, sondern mehr Lust und Kreativität, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Irene Lohaus ergänzt hierzu, dass es darum geht, Spielräume der DINs auszunutzen, dass es für viele Planende aber gleichzeitig schwierig ist, diese Spielräume zu finden. Anne Wening verweist auf die entsprechenden Beratungsstellen, denn für Planende allein seien die Vorschriften oft nur schwer zu bewältigen.
Jürgen Dusel wirft ein, dass es vielleicht für Bauherren noch mehr Regeln brauche, damit die Planenden nicht in Erklärungsnot kommen, wenn sie anspruchsvoll barrierefrei planen möchten. Vor allem aber – so sein Schlusswort – darf Barrierefreiheit nicht mehr negativ konnotiert sein, sondern muss „sexy“ werden.