Gleiche Chancen am Markt
- Panel 4.1: Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen – Wie steinig ist der Weg zum Erfolg im Ausland?
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Auf dem Panel:
Jette Hopp, Snøhetta, Lars Krückeberg, GRAFT, Prof. Roland Dieterle, spatial solutions, Robert Ivy, American Institute of Architects (AIA)Moderator:
Prof. Ralf Niebergall, Vizepräsident BAKBAK BundesarchitektenkammerEssenz:
- Wer einen Markt im Ausland erschließen will, der muss viel zuhören, hinsehen und verstehen.
- Wichtig ist, selber vor Ort zu sein oder dort einen starken Partner zu haben.
- Als Architektin oder Architekt sollte man eine eigene kulturelle Agenda haben und diese im Ausland leidenschaftlich vertreten.
- Architektinnen und Architekten wünschen sich mehr Unterstützung der Bundesregierung dabei, deutsche Architekturbüros im Ausland zu vernetzen und bei Kooperationen zu unterstützen und so ihre Schlagkraft auf dem internationalen Markt zu erhöhen.
Bericht:
Auf dem von Prof. Ralf Niebergall moderierten NAXNAX Netzwerk Architekturexport-Panel „Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen – Wie steinig ist der Weg zum Erfolg im Ausland“ diskutierten Jette Hopp, Lars Krückeberg, Prof. Roland Dieterle und Robert Ivy über die Herausforderungen und Hürden, die es für Planende beim Gang ins Ausland zu bewältigen gibt und teilten lehrreiche Erfahrungen, die sie während ihrer Karriere in diesem Zusammenhang gemacht haben.Jette Hopp berichtete beispielsweise, dass Snøhetta sehr selten Projekte abbreche, aber durchaus des Öfteren gar nicht erst beginne, wenn beispielsweise die Recherchen zu einem ausländischen Markt unbefriedigende Ergebnisse erbracht hätten. Sollte es jedoch zu langfristigen Auslandsengagements mit größerem Bauvolumen kommen, sei es Snøhettas Strategie auch im Ausland mit einer Repräsentanz vor Ort zu sein. Dies helfe, kulturelle und sprachliche Barrieren abzubauen.
Lars Krückeberg vom Berliner Büro GRAFT berichtete von den untypischen Anfängen seines Unternehmens: Gegründet in den USA, eröffneten GRAFT bald eine zweite Niederlassung in China und realisierte dort ebenfalls sehr erfolgreich Projekte, bevor sie schließlich nach Deutschland zurückkehrten. GRAFT machten im Fernen Osten nicht nur positive Erfahrungen: Vor allem die fehlende Rechtssicherheit gegenüber chinesischen Partnern bekamen das Berliner Architekturbüro zu spüren, nachdem sie eine Klage gegen einen lokalen Bauherrn in China verloren, der, so Lars Krückeberg, GRAFT Designs unerlaubt verwendet hatte.
Auch Prof. Roland Dieterle, Inhaber und Geschäftsführer des Münchner Büros spatial solutions nutzten seine „wasserdichten Verträge“ mit dem ruandischen Staat letztlich wenig: Nach einer 12-jährigen Bauzeit des Kigali Convention Centers wurden er und seine Planende durch ein türkisches Design and Build-Unternehmen ersetzt, das den Bau des Kongresszentrum nach Dieterles Design zu Ende führte. Beide Planende waren sich einig: Als deutsche Architektin oder Architekt habe man zwar den Anspruch auch im Ausland eine hohe Qualität sicherzustellen, doch die Entscheidungen darüber würden einem manchmal aus der Hand genommen. Dieterle rät Architektinnen und Architekten daher, bei Aufträgen mit bauleitenden Tätigkeiten im Ausland Vorsicht walten zu lassen. Er selbst präferiere bei internationalen Projekten mittlerweile reine Entwurfs- und Beratungsleistungen.
Jette Hopp hingegen vertrat den starken Standpunkt, dass man als Architektin oder Architekt eine kulturelle Agenda habe und diese auch im Ausland in allen Leistungsphasen vertreten müsse. Krückeberg fügte hinzu, wer den Schritt in den internationalen Markt mache, solle im Vorhinein viel zuhören, verstehen und bereit sein, sich an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Am besten sei es, so viel wie möglich selbst vor Ort zu sein oder aber einen starken lokalen Partner zu haben.
Robert Ivy, CEO des American Institute of Architects, berichtete, dass die staatliche Unterstützung beim Export von Planerleistungen in den USA zu wünschen übrig lasse. Zudem sei es für ausländische Architektinnen und Architekten sehr schwer, beruflich Fuß in den USA zu fassen, da die Lizensierungsbehörden fast ausschließlich Abschlüsse von nationalen Universitäten anerkennen würden. Ähnlich dem deutschen Föderalismusprinzip sei es auch für einen in Kalifornien registrierten Architekten nicht möglich, Bauanträge in Washington einzureichen. Diese Hürden würden derzeit jedoch kontrovers diskutiert.
Roland Dieterle und Lars Krückeberg sprachen sich auch für mehr Unterstützung durch die deutsche Regierung für Planende aus, die bereits im Ausland aktiv seien. Europäischen Firmen müsse die Zusammenarbeit erleichtert werden, um ihre Schlagkraft international zu erhöhen.
- Panel 4.2: Weibliche Führung – Wer entscheidet in der Planung?
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Auf dem Panel:
Dr. Brigitte Schultz, Chefredakteurin Deutsches Architektenblatt, Prof. Sabine Keggenhoff, Keggenhoff Partner, Verena Bentele, Präsidentin Sozialverband VdK, Ulli Nissen, MdB, SPDModeration:
Prof. Ralf Niebergall, Vizepräsident BAKEssenz:
- Frauen müssen laut und mutig ihre Rechte einfordern
- Politik und Arbeitgebende sind gefordert, ein familienfreundliches Umfeld zu schaffen
- Mehr Sichtbarkeit entsteht durch konsequentere Nutzung gendergerechter Sprache
- Nötig ist eine bessere Förderung junger Architektinnen
Einführung:
Prof. Ralf Niebergall: 50 % der Architekturstudierenden sind Frauen, aber nur 30 % arbeiten später in ihrem erlernten Beruf. Noch geringer ist der Prozentsatz bei den Büroinhaberinnen oder bei Frauen in der Führungsebene großer Architekturbüros. Was muss in der Gesellschaft passieren oder was können Frauen auch selbst tun, um sichtbarer zu werden?Bericht:
Ulli Nissen: Sie ist langjährige Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion: Das Thema „Sichtbarkeit der Frauen“ begleitet sie schon seit Beginn ihrer politischen Arbeit. Es sind auch die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Warum z. B. heißt es Deutscher Architektentag? Sie selbst fühlt sich nicht angesprochen. Geschlechtergerechte Sprache muss eine Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft sein.Prof. Sabine Keggenhoff: Sie leitet ein Architekturbüro und hat sich gegen Kinder entschieden. Der Job fordert sie voll und ganz. Frauen, die eine Führungsrolle übernehmen wollen, müssen sich entscheiden. Sie arbeitet in ihrem Büro hauptsächlich mit Frauen und ermöglicht ihren Mitarbeiterinnen durch flexible Arbeitszeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Ein Büro zu führen, ist aus ihrer Sicht nicht mit Familie vereinbar. Bei laufenden Projekten muss sie jederzeit zeitlich flexibel sein.
Verena Bentele: Sie war früher eine erfolgreiche Sportlerin und ist heute Präsidentin des Sozialverbands VdK. Sie kennt das Problem, von Männern unterschätzt zu werden. Frauen müssen aktiv werden und ihre Rechte einfordern. Warum auf andere hoffen oder warten, dass sich etwas ändert. Ihr Credo lautet: Seid mutig und laut, dann erreicht ihr etwas.
Dr. Brigitte Schultz: Sie arbeitet als Chefredakteurin des Deutschen Architektenblatts. Ihrer Meinung nach muss es möglich sein, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Arbeitgebende sind gefordert, ein familienfreundliches Umfeld zu schaffen und Frauen müssen dieses aktiv einfordern.
Die Runde diskutiert kontrovers. Was wurde seit der Wende bei der Gleichberechtigung erreicht? Gar nichts oder sehr wenig sagen die einen. Viel, meinen andere. Man denke hier nur an die Einführung der Elternzeit, die von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden kann. Auch gibt es erfolgreiche Netzwerke für Architektinnen, die genutzt werden können. Für junge Architektinnen steht die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht an erster Stelle. Sie fordern vielmehr eine bessere Förderung junger Architektinnen. Frauen müssen eine Chance bekommen, sich im Beruf zu beweisen. Oft werde ein Mann bevorzugt, der keine Kinder bekommen kann. Auch gebe es immer noch Ungerechtigkeiten in der Bezahlung.
- Panel 4.3: Kooperation zwischen Planenden – Erfolg durch Solidarität?
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Auf dem Panel:
Matthew Griffin, Deadline Architekten, Prof. Dr. Guido Spars, Bergische Universität Wuppertal, Marion Gruber, PLOV Architekten, Julia Hinderink, ArchitektinModeration:
Prof. Ralf Niebergall, Vizepräsident BAKEssenz:
Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Kooperationen sind:- Hohes Engagement aller Beteiligten
- Gelebte Debattenkultur und Solidarität
- Mehr wollen, als nur Dienstleister zu sein
- Für die Baukultur kämpfen wollen
- Gute Kommunikation und viel Verständnis für die Belange der Kooperationspartner
Bericht:
Seit der Finanzkrise 2008 nimmt die Ko-Produktion von Stadt zu. Dabei kooperieren nicht nur Planende miteinander, sondern auch Planende mit Nicht-Planenden, Künstlerinnen und Künstlern, Wohneigentümerinnen und -eigentümern etc. Kooperation erhöht die gesellschaftliche Sichtbarkeit von Architektur!Vorgestellt und lebhaft diskutiert wurden alternative Formen der Stadtentwicklung neben der rein durch ökonomische Interessen getriebenen Bauwirtschaft. Ziel dieser Ansätze beispielsweise alternativer Baugruppen, muss es sein, Lösungen zu finden, die Wirtschaftlichkeit, Umwelt, Klima und die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner angemessen berücksichtigen. Deutlich wurde, dass es auch zukünftig immer beides geben wird, also die Parallelität von Kooperationsmodellen und Investorenarchitektur.
Während die Architektinnen und Architekten dafür plädierten, dass sie nicht nur als dienstleistende Personen für die Bauherren wahrgenommen werden dürften, sondern darüber hinaus immer auch als Projektentwickelnde und Stadtplanende agieren und als Ideenlieferantin oder -lieferant für gesellschaftliche Belange gesehen werden müssten, sahen die anwesenden Ökonominnen und Ökonomen eher einen geringen Risikoübernahmewillen bei der Architektenschaft als Ursache dafür, dass häufiger die Investierenden Entscheidungen über die Bebauung von Grundstücken träfen als Architektinnen und Architekten.