Digitale Prozesse und künstliche Intelligenz
- Panel 7.1: KI und Architektur – Was können Maschinen schon alleine?
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Auf dem Panel:
Prof. Dr. Sigrid Brell-Cokcan, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Dr. Martin Memmel, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Baukobox, Prof. Dr. Cordula Kropp, Universität Stuttgart, Hannes Mayer, Gramazio Kohler Research, ETH ZürichModeration:
Isabella Göring, Geschäftsführerin Akademie der AKHAKH Architekten- und Stadtplanerkammer HessenEssenz:
- KIKI Künstliche Intelligenz wird Planenden bei kreativen Entscheidungen unterstützen und schafft Freiräume für die gestalterische Arbeit.
- Architektur ist eine integrative Disziplin, daher soll sie auch im Digitalen eine Systemführerschaft übernehmen.
- Selbstbewusst die digitale Transformation mitgestalten.
Bericht:
Impuls von Dr. Martin Memmel: Einführung ins Thema Künstliche Intelligenz – was ist KI? Menschliche Intelligenz hat mit wahrnehmen, verstehen, planen und handeln zu tun. Bei der Künstlichen Intelligenz unterscheidet man zwischen starker und schwacher Künstlicher Intelligenz: starke KI ahme menschliches Denken nach und sei deswegen bisher noch Science Fiction, wenn man heute von KI-Umsetzungen spreche, meine man ausschließlich schwache Intelligenz, die Lösungen für sehr spezifische Probleme biete, etwa im autonomen Fahren oder in Navigationssystemen.Frage: Kommt die KI in Bezug auf die Nachahmung menschlicher Kreativität an ihre Grenzen? Oder kann KI auch kreativ sein, planen und entwerfen?
Prof. Dr. Sigrid Brell-Cokcan schlägt vor, KI und Robotik als Design-Decision-Support-Systeme zu begreifen: Software unterstützt die Menschen zwar bei ihren kreativen Prozessen und Entscheidungen, aber ersetzt diese nicht. In diesem Sinne würde sie auch in ihrem Projekt „Robotics in Architecture“ Robotersysteme auf ihren Einsatz in der Kreativindustrie hin untersuchen und entwickeln, etwa wenn Robotik über CAD oder BIMBIM Building Information Modeling in architektonische Projekte eingebunden würdenFür Hannes Mayer findet die Digitalisierung nicht zwangsläufig einen physischen Ausdruck in der Architektur (so wie dies für den Parametrismus zu Beginn der 2000er Jahre vielleicht der Fall war). Die Digitalisierung der Architektur bringe vielmehr neue Werkzeuge mit sich, während die Gebäude physisch bleiben. Robotik verändert jedoch, wie Architekturen in die Welt kommen: Die KI könnte die Übersetzung bestimmter Entwürfe in die Architektur leisten.
Prof. Dr. Cordula Kropp zufolge sind die Einsatzgebiete von KI in der Architektur sehr weitreichend, denn KI kann auch neuartige kollaborative Arbeitsweisen ermöglichen oder so eingesetzt werden, dass Gebäude noch stärker einer sozialen Nutzung entgegenkommen. Allerdings kommt auch keine Technik ohne Standardisierungsprozesse aus, an die sich der Mensch in bestimmtem Maße anpassen muss; daher ist eine angemessene Kompetenzentwicklung notwendig, sodass Architekten als Treiber dieser neuen Technologien auftreten und nicht als Getriebene der Entwicklungen.
Sigrid Brell-Cokcan betont, wie wichtig es ist, zu wissen, warum man KI einsetzen wolle. Denkbar wäre es, mit KI neue Potentiale in der Kreativität zu erschließen oder KI für ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen einzusetzen. Cordula Kropp führt den Gedanken weiter, dass die Ziele der Nachhaltigkeit ohne digitale Werkzeuge überhaupt nicht machbar sind. Martin Memmel richtet den Appell an die Architektinnen und Stadtplaner, sich nicht auf KI oder auf Daten zu verlassen, sondern eigenaktiv die digitale Transformation zu gestalten.
Aus der anschließenden Diskussion mit dem Publikum zeichnete sich ein deutliches Fazit heraus, dass durch die Teilnehmenden auf dem Panel stellvertretend formuliert wurde: Architektinnen und Architekten und Stadtplanerinnen und Stadtplaner müssen, gerade weil die Architektur seit jeher eine integrative Disziplin ist, auch weiterhin Systemführerschaft beanspruchen. KI unterstützt dabei, kreative Entscheidungen zu treffen und Freiräume für ihre gestalterische Arbeit zu schaffen. Mit dem Wissen über die digitalen Prozesse und der Expertise in den Methoden sollten Planende mutig und selbstbewusst die Digitalisierung in ihrem Sinne selbst gestalten.
- Panel 7.2: Im Jahre 2030 – Wie gestaltet sich die Arbeitswelt?
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Auf dem Panel:
Monika Lepel, Lepel & Lepel Architektur Innenarchitektur, Nils Krause, hammeskrause architekten, Dr. Gereon Uerz, Arup Deutschland, Dr. Sascha Peters, Haute Innovation Zukunftsagentur für Material und TechnologieModeration:
Isabella Göring, Geschäftsführerin Akademie der AKHEssenz:
- Die soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung der Architektinnen und Architekten darf nicht an die Digitalisierung delegiert werden.
- Besonders die Klimaziele können nur umgestetzt werden, wenn die Mittel der Digitalisierung genutzt werden.
Bericht:
Impuls von Monika Lepel: Im Architekturbüro der Zukunft wird es weniger Hierarchien, sondern mehr Rollen in verschiedenen Kontexten und entsprechend unterschiedlicher Qualifikationen geben, Teams werden neu gedacht, nämlich selbstorganisierend und mit hohem kommunikativen Anteil (und Büros mit kommunikativeren Räumen). Denkbar ist außerdem, dass es in Zukunft leichter wird, Allianzen zu bilden; es muss stets daran gedacht werden, dass die Verantwortung der Architektin bzw. des Architekten nicht an die Digitalisierung delegiert werden kann. Hier müssen Architektinnen und Architekten als ideenstark und projektgetrieben auftreten, hier ist aber auch die Politik gefragt.Nils Krause betont, dass man sich immer klar machen müsse, was die digitalen Prozesse an Mehrwert, etwa in Bezug auf Nachhaltigkeit, für ein Projekt bringen. Mit digitalen Werkzeugen und Präsentationsformen kann die Kundschaft zudem relativ früh partizipieren, was sicherlich auch die Beziehung zwischen Auftragnehmenden und Auftraggebenden verändern werde.
Sascha Peters erwähnt neueste digitale Technologien, darunter „smart dust“ (winzige, intelligente und drahtlose Sensornetzwerke), der schnelle und serielle 3D-Druck von Häusern oder Metamaterialien, also künstlich erzeugte Materialien mit Eigenschaften, die es in der Natur nicht gibt (beispielsweise ein Mantel, der unsichtbar macht oder Objekte, die Geräusche aus der Umwelt filtern).
Gereon Uerz betont, dass bei all diesen Diskussionen um Innovationen die Nachhaltigkeit stark gemacht werden müsse. Als Beispiel nennt er: Gebäude, die als Materialbanken genutzt werden – Recycling, um zu bezahlbarem massenhaften Wohnungsbau zu gelangen. Daraufhin kommt aus dem Publikum die wichtige Frage, ob nicht die Digitalisierung selbst mit einem hohen CO2-Abdruck einhergehe – etwa was den Energieverbrauch digitaler Geräte, die Verwendung seltener Erden für ihre Herstellung und die Menge an (Sonder-)Müll angeht.
Sascha Peters antwortet, dass es notwendig sei, technische Kreisläufe nach dem cradle-to-cradle-Prinzip zu schließen oder neuartige smarte und eigenaktive Materialien zu verwenden, die keine externe Energiequelle benötigen (z.B. auf Luftfeuchtigkeit reagierende, sich selbstöffnende Fenster aus Holzfasern). Gereon Uerz ergänzt, dass KI dabei helfen könnte, einem hohen Energieverbrauch (etwa von cloud-Hardware) über intelligente Algorithmen, die verstehen, wie Energie verbraucht wird, entgegenzuwirken.
Die Hauptaufgabe in der zukünftigen digitalen Welt wird darin liegen, sich der Komplexitätsbewältigung (im Team) zu stellen. Ein Ansatz kann etwa sein, sich Zeit zu nehmen und die Dinge zu prüfen. Nicht alle Trends müssen mitgemacht werden.
Fazit: Die soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung der Architektenschaft darf nicht an die Digitalisierung delegiert werden. Insbesondere die Klimaziele können nur umgesetzt werden, wenn die Mittel der Digitalisierung genutzt werden.
- Panel 7.3: BIM als Standard – Hilfe oder Überforderung?
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Auf dem Panel:
Dr. Ilka May, LocLab Consultin, Florian Urban Geddert, plus 4930 Architektur Sierig Geddert Krüge, Ministerialdirigent Ralf Poss, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Harry Ibbs, GenslerModeration:
Isabella Göring, Geschäftsführerin Akademie der AKHEssenz:
Für die Implementierung von BIM in kleinen wie großen Büros fordern Architektinnen und Architekten von der Politik:- Eine einheitliche Strategie mit offenen Schnittstellen.
- BIM-Ausbildungen in den Universitäten.
- Verbindliche Standards
- Lösungen für Datenschutz, Datensicherheit und Vertragsangelegenheiten
Bericht:
Impuls von Ilka May: Am Beispiel Großbritanniens ergibt sich die Frage, was die nationale politische Strategie in der BIM-Einführung ausmacht? Dabei wird offensichtlich: Es werden die gleichen Diskussionen wie vor vier Jahren geführt, nur mit mehr Beteiligten. Alle wollen Lösungen generieren, aber keiner fragt mehr, für welche Probleme. Innerhalb der Wertschöpfungskette Bau erfährt vor allem die Lieferkette keine politische Unterstützung.Ralf Poss erläutert die deutsche Strategie. BMIBMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und BMVI haben kürzlich das Nationale BIM-Kompetenzzentrum ins Leben gerufen. Aufgaben sind der Aufbau eines zentralen BIM-Portals, die Durchführung von Beratungen und Schulungen und die Entwicklung einer BIM-Strategie für den Bundesbau.
Florian Urban Geddert erläutert die Perspektive des mit BIM arbeitenden Architekturbüros: Das 3D-Modell sei vor allem ein Tool zum Datenmanagement, das – von der öffentlichen Hand und von der Industrie kommend – allmählich in die Büros einzieht. Möglich sei nun auch, aus der Nutzung eines Gebäudes Daten zu ziehen und für die Planung produktiv zu machen. Bei der BIM-Einführung sei zu beachten, dass BIM nicht die Arbeit der Architektinnen und Architekten einschränke und von politischer Seite openBIM gefördert werden solle.
Harry Ibbs, Digitalisierungsexperte bei Gensler, fügt den Ausführungen von Ilka May hinzu, dass die Digitalisierung auch in Großbritannien zunächst vom öffentlichen Sektor forciert wurde und erst dann der private Sektor hinzukam. In den Büros, in denen er gearbeitet habe, hätte man – auf der Suche nach Lösungen – vor allem auf die Softwarelösungen und Datenplattformen aus anderen Industriezweigen (etwa der Raumfahrt) geblickt. Ilka May ergänzt, dass man auch nicht immer alles neu erfinden brauche. In der Normung etwa gäbe es in der Frage nach Interoperability und verlustfreiem Austausch (ISOISO International Organization for Standardization 16739 IFC) Lösungen aus anderen Bereichen, die man durchaus nutzen könne (ISO 15926 Datenintegration der Öl- und Gasindustrie).
Florian Urban Geddert wünscht sich, dass die Politik stärker an Case Studies und Leuchtturmprojekten arbeitet, an denen sich Architekturbüros orientieren können. Genau dies sei bereits geschehen bzw. werde durch das Nationale Kompetenzzentrum weiter verfolgt, ergänzt Ralf Poss. Das Kompetenzzentrum wolle vor allem eine Motivation zur BIM-Implementierung schaffen und einheitliche Standards und Regelwerke entwickeln. Gerade für die Architektenvergütung (Stichwort HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure 4.0) sei dies besonders wichtig, so Florian Urban Geddert.
Aus dem Publikum meldet sich Dr. Martin Kraushaar (AKAK Architektenkammer Hessen) und ergänzt die Bedeutung des Daten- und Urheberrechtsschutzes angesichts der umfangreichen Digitalisierung von Plänen und Entwürfen im Architekturbüro. Zum Stichwort Datensicherheit betont Ilka May, dass die Datenschutz- und Datensicherheitsprobleme bereits dann beginnen, wenn die Daten in die Lieferkette übergehen. In der Debatte, welche (politischen) Maßnahmen eine erfolgreiche BIM-Einführung brauche, fügt Harry Ibbs hinzu, dass es so gut wie keine Ausbildung in der BIM-Methode an den Hochschulen gibt. Ralf Poss schließt die Runde mit dem Hinweis, dass es zur Digitalisierung der Baubranche auch die Digitalisierung der Verwaltungsstrukturen bzw. der öffentlichen Hand brauche. Auch hier müsse noch einiges getan werden.
Fazit: Für die Implementierung von BIM in kleinen wie großen Büros fordern wir Architektinnen und Architekten von der Politik: Eine einheitliche Strategie, offene Schnittstellen, BIM-Ausbildungen in den Universitäten, verbindliche Standards sowie Lösungen für Datenschutz, Datensicherheit und Vertragsangelegenheiten.